Mythos Sherryfass-gereifte Whiskys

„Matured in a Sherry Butt” steht auf dem Etikett. Wenn die Farbe des Inhalts dann auch noch in Richtung Mahagoni tendiert, ist die Verweildauer einer solchen Whiskyflasche in den Regalen der Händler meist nur kurz. „Colour sells!” könnte man es treffend formulieren: je dunkler, desto besser. Doch was ist unter dem Begriff Sherryfass genau zu verstehen? Welcher Sherry kam dabei zum Einsatz, und aus welcher Eichenholzart wurde das betreffende Fass gefertigt? Darüber gibt das Flaschenetikett oft nur wenig Aufschluss.

Vor allem im 19. Jahrhundert spielte in Schottland die Reifung von Whisky in Eichenfässern, die zuvor Sherry enthielten, eine zentrale Rolle. Denn zur damaligen Zeit galt der spanische Likörwein in Großbritannien als das Modegetränk, und seine Popularität war entsprechend hoch. Dabei wurde trinkfertiger Sherry aus den spanischen Bodegas in einheimische Eichenfässer abgefüllt, über den Seeweg nach London, Glasgow oder Leith verschifft und dort dann entweder in Flaschen umgefüllt bzw. direkt von den Händlern oder Bars aus dem Fass verkauft. Im Anschluss daran fanden die leeren Sherryfässer weitere Verwendung bei den Whiskybrennereien zur Reifung ihrer Destillate. So prägte diese Vorgehensweise immens das Profil des schottischen Single Malt Whiskys.

Was ist Sherry?

Sherry ist ein durch Zugabe von einfachem Branntwein auf mindestens 15 Volumenprozent Alkohol verstärkter Weißwein aus der autonomen Region Andalusien in Südspanien. Je nach Ausbau der erlaubten Rebsorten Palomino, Pedro Ximénez (PX) oder Muskateller, die sich geografisch auf das sog. SherryDreieck Jerez de la Frontera, EI Puerto de Santa Maria und Sanlücar de Barrameda beschränken müssen, unterscheidet man u. a. die Sherrysorten Fino, Manzanilla, Oloroso, Palo Cortado, PX und Moscatel. Diese weisen zum Teil deutliche Unterschiede sowohl in der Farbe als auch im Geschmack auf. Fino und Manzanilla reifen im Eichenfass unter einer natürlich gebildeten Hefeschicht, der sog. Flor, die für eine helle Farbe und die Mandelaromen der beiden Sherrys verantwortlich ist. Die anderen hingegen reifen ohne Flor und somit unter Sauerstoffeinfluss, was im Allgemeinen zu dunkleren Likörweinen führt. Die nussigen Aromen im Oloroso Sherry resultieren aus der Oxidation mit Luftsauerstoff, und die kräftige Süße des PX Sherrys findet ihre Ursache in der Rosinierung der weißen PX-Trauben vor deren Vinifizierung. Obwohl die meisten davon viel länger gereift sind, muss Sherry mindestens zwei Jahre in Eichenfässern gelagert werden.

Europäische Transportfässer

Die oben erwähnten Sherryfässer für Großbritannien bestanden aus europäischer Eiche: Traubeneiche (Quercus petraea) oder Stileiche (Quercus robur). Diese Transportbehälter waren viel kostengünstiger als jene, die aus der teureren, importierten amerikanischen Weißeiche (Quercus alba) gefertigt wurden. Letztere reservierten die spanischen Bodegas für den Bau ihrer eigenen, langlebigen Bodega-Fässer, in denen Sherry im traditionellen Solera-System heranreifte. Doch gleich mehrere Gründe führten zur Verknappung von Sherryfässern für die schottische Whiskyindustrie. Zum einen erlosch die Liebe Großbritanniens zu Sherry, und zum anderen verschärfte der spanische Bürgerkrieg in den 1930er Jahren den Export von Sherryfässern drastisch. Nahezu zeitgleich eröffnete zudem ein amerikanisches Gesetz — welches besagte, dass neue Bourbonfässer nur einmalig zur Reifung von amerikanischem Whiskey verwendet werden dürfen — einen alternativen sowie attraktiven Zugang zu einer großen Menge an Reifebehältern für den schottischen Single Malt.

Paxarette

Einige für ihren vom Sherryfass geprägten Whisky bekannte Brennereien — z. B. Dalmore, GlenDronach, Macallan, Highland Park oder Tamdhu — gelang es infolge guter Beziehungen dennoch, sich weiterhin Zugang zu den begehrten Fässern aus Spanien zu verschaffen. Doch ein spanisches Gesetz von 1986 änderte dies abrupt, als ab diesem Zeitpunkt Sherry aus Andalusien nur noch in Flaschen abgefüllt exportiert werden durfte. Dadurch erlebte eine bis dahin bestehende Praxis in Schottland einen deutlichen Boom: der Einsatz von Paxarette zur Auffrischung gebrauchter bzw. ausgelaugter Sherry-Transportfässer. Bei Paxarette handelte es sich um einen aus der weißen PX-Traube hergestellten und eingedickten Süßwein, der meist zusätzlich mit eingekochtem Most (Arrope) versetzt wurde. Diese Mischung spritzte man unter Druck in die Dauben der Eichenfässer: etwa 500 ml für ein Hogshead bzw. die doppelte Menge für ein Butt. In der Praxis beschränkte sich diese Vorgehensweise jedoch nicht nur auf ausgelaugte Fässer. So bestimmten das abgebende Aroma und vor allem die dunkle Farbe dieses süßen „Auffrischungssirups” das Bild eines „Sherryfass-gereiften” Whiskys, bis die Scotch Whisky Association im Jahr 1989 den Gebrauch von Paxarette in Schottland untersagte.

Solera-Fässer

Stellt sich also die Frage, was das nun für Sherryfässer sind, die heutzutage in der schottischen Whiskyindustrie zum Einsatz kommen. Etwa Bodega-Fässer? Wohl kaum, denn diese Fässer aus dem traditionellen Solera-System werden praktisch nie entleert, da jedem Fass nur maximal ein Drittel des Inhalts entnommen werden darf. Beim Solera-Criadera-Stufensystem wird trinkfertiger Sherry aus Fässern der untersten Reihe („Solera” = am Boden liegend) entnommen und diese mit jüngerem Wein aus den direkt darüber gestapelten Fässern („1. Criadera”) wieder aufgefüllt. Diese wiederum werden mit der gleichen Menge des Inhalts aus Fässern der „2. Criadera” ergänzt usw., bis die oberste Reihe von Fässern schließlich mit Jungwein aufgefüllt wird. Durch diese dynamische Verfahrensweise werden Weine unterschiedlicher Reifegrade und Aromen miteinander vermischt und garantieren so mehr Kontinuität beim Sherry. Die Solera-Fässer aus amerikanischer Weißeiche halten praktisch ewig, ein Alter von 100 Jahren und mehr ist keine Seltenheit. Sie geben keinerlei Aromen mehr an den heranreifenden Sherry ab, sondern fungieren lediglich als Behälter. Dies ist so gewünscht und enorm wichtig, denn ein zu hoher Tanningehalt wirkt sich negativ auf den Geschmack des reifenden Sherrys aus und zerstört zudem die biologische Florschicht. Ohne wirklich gute Beziehungen ist es praktisch unmöglich, an derartige Fässer heranzukommen. Eine Ausnahme stellt die Brennerei Dalmore dar. „Wir arbeiten bereits seit 150 Jahren eng mit der Bodega Gonzälez Byass in Jerez zusammen. Aufgrund dieser festen Beziehung haben wir das exklusive Recht auf ihre 30 Jahre alten Matusalem Sherryfässer”, erklärt Shauna Jennens, Distillery Ambassador bei The Dalmore.

„Cask Seasoning“

Doch woher bekommen die anderen Whiskydestillerien ihre Sherryfässer, wenn sie nicht über derart gute Beziehungen verfügen? Das Schlüsselwort in diesem Fall heißt „Seasoning”. Brennereien lassen meist im Auftrag frische Eichenfässer fertigen und diese dann in spanischen Bodegas mit wenige Jahre gereiftem Sherrywein befüllen. Die Rolle dieses noch jungen Sherrys besteht darin, die Geschmacksverbindungen im Holz zu verändern und Bitterstoffe aus dem Eichenholz zu entfernen, während sich die Dauben mit Sherry vollsaugen können. Nach einer gewissen Zeit werden die Fässer entleert, nach Schottland transportiert und dort mit New Make oder Whisky befüllt. Das ist ein aufwändiger und langwieriger Prozess. „Es dauert sechs Jahre, bis diese Fässer bei Tamdhu in der Speyside ankommen”, sagt Gordon Dundas, International Brand Ambassador bei Ian Macleod. Das europäische Holz stammt dabei von 100 Jahre alten Eichen aus der nordspanischen Provinz Galizien. Bevor daraus Fässer gefertigt werden können, müssen die frischen Dauben etwa zweieinhalb Jahre lang an der Luft trocknen, bis deren Feuchtigkeitsgehalt bei ungefähr 10 Prozent liegt. Die daraus hergestellten Fässer werden für 30 bis 40 Minuten getoastet und anschließend mit jungem Sherry befüllt. „Wir verwenden ausschließlich Oloroso-Sherry, etwa vier bis fünf Jahre alt, und würzen damit diese Fässer. Das dauert in etwa zwei Jahre und ermöglicht es uns, die Tannine sowie andere unerwünschte Elemente, die wir später nicht in unserem Tamdhu haben wollen, zu entfernen”, erläutert Gordon. Der zum „Seasoning” der Fässer verwendete Sherry wird dabei mehrmals verwendet, bevor er schließlich zu Essig oder günstigem Brandy weiterverarbeitet wird.

Was macht den Unterschied aus?

Bei Tamdhu kommen sowohl erst- (first-fill) als auch wiederbefüllte (refill) Sherryfässer aus amerikanischer und europäischer Eiche sowie unterschiedliche Fassgrößen (z. B. Hogsheads, Butts) zum Einsatz. Gordon Dundas sieht weniger im für das „Seasoning” verwendeten Sherry als vielmehr in der Eichenholzart des jeweiligen Fasses die treibende Kraft für die Aromabildung im reifenden Whisky. „Europäische Fässer liefern würzige Noten, sind ziemlich präsent von in der Nase und enthalten mehr Tannine sowie dunkle Früchte mit Rosinen und Nüssen. Amerikanische Eiche hingegen hat einen leichteren Stil mit viel Vanille im Aroma.” Bei einem seiner Tastings brachte er zwei unterschiedliche Fassproben zu Demonstrationszwecken mit: einen 12-jährigen Tamdhu aus einem amerikanischen sowie einen 14-jährigen Tamdhu aus einem europäischen Eichenfass. Beide Fässer hatten dieselbe Größe und erhielten zunächst ein „Seasoning” mit identischem Oloroso-Sherry für die gleiche Zeit. Obwohl ähnlich in der Farbe, wiesen die beiden Fassproben einen deutlichen Unterschied im Aroma sowie im Geschmack auf. „Dieses Experiment macht für mich deutlich, dass es nicht der verwendete Sherri ist, der den Unterschied im gereiften Whisky ausmacht, sondern die Art des Eichenholzes.“ Gordons Schlussfolgerung steht im Einklang mir wissenschaftlichen Untersuchungen in Schottland. Diese zeigten, dass der Hauptunterschied in den verwendeten Holzarten der Fässer lag, unabhängig davon, mit welchem Sherry diese zuvor befüllt waren. So schmeckte ein in einem Fino-Sherryfass gereifter Whisky anders als der gleiche Whisky, der parallel in einem Oloroso-Sherryfass ausgebaut wurde. Da nämlich das Fino-Fass aus amerikanischer, das Oloroso-Fass hingegen aus europäischer Eiche bestand.

Mit freundlicher Genehmigung durch Dr. Heinz Weinberger – https://www.whisky-connaisseur.de/

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