Warum ein Whisky in Andalusien etwa 1,5-mal schneller reift als in Schottland

In den whiskyproduzierenden Ländern weltweit ist das Klima ein zentrales Thema. Für viele Destillateure hat die unmittelbare Umgebung, in der ein Whiskyfass gelagert wird, einen signifikanten Einfluss auf das Aroma und den Geschmack des Whiskys. Es gilt: Je wärmer der Lagerort ist, desto schneller reift das Destillat heran, und desto intensiver gestaltet sich der Austausch von Aromen mit dem Holz. Diese Erkenntnis, dass klimatische Bedingungen Einfluss auf die Reifungsgeschwindigkeit eines Whiskys nehmen, ist in gewisser Weise wissenschaftlich fundiert. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts lieferte ein Niederländer diese Grundlage.

Der Chemiker und spätere Nobelpreisträger Jacobus Henricus van’t Hoff (1852-1911) konnte nämlich zeigen, dass chemische Reaktionen umso schneller ablaufen, je höher die Temperatur ist. Die von ihm entdeckte Faustregel (“RGT-Regel: Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel”) besagt, dass sich die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion in etwa verdoppelt, wenn die Temperatur um 10°C steigt. Bezogen auf Whisky bedeutet dies, dass dieser unter wärmeren Bedingungen dazu neigt, schneller zu reifen, da die verschiedenen Interaktionen zwischen Spirit, Fass und Luft beschleunigt werden.

In heißen Sommern, insbesondere solchen mit starken Temperaturschwankungen, intensiviert sich die Interaktion zwischen dem reifenden Whisky und dem Eichenholz. Dies geschieht, weil das Destillat auf die Schwankungen von Temperatur und Luftdruck reagiert, sich ausdehnt und zusammenzieht. Dadurch dringt es tiefer in das Holz ein und wird wieder herausgedrückt, wobei es Tannine, Vanillin, Holzzucker sowie andere Aroma- und Geschmacksstoffe aus dem Fass extrahiert.

Neben der Extraktion aus dem Eichenholz beschleunigen wärmere Temperaturen auch andere Reifungsmechanismen wie Verdunstung, Oxidation und Veresterung. Die chemischen Reaktionen im Fass, darunter die zwischen Luftsauerstoff und den verschiedenen Molekülen im Spirit (Ethanol, Fuselöle, Aldehyde, Säuren usw.) sowie im Holz der Dauben (Phenole, Tannine, Vanillin usw.), verlaufen unter wärmeren Bedingungen schneller und verkürzen folglich den Reifungsprozess. Dieser verstärkte Austausch und die beschleunigte Entwicklung von Reifungsaromen führen zu einem Whisky mit einem intensiveren, kräftigeren Geschmacksprofil.

Neben der Temperatur sind die Luftfeuchtigkeit sowie der Ethanolgehalt des Whiskys wichtige Faktoren, die die Reaktionen im Fass beeinflussen. In warmen und trockenen Klimazonen mit geringer Luftfeuchtigkeit verdunstet relativ mehr Wasser als Ethanol aus dem Fass. Dies führt während der Fassreifung zu einer Erhöhung der Ethanol-Konzentration im Whisky. Anders verhält es sich in kalten und feuchten Klimazonen mit hoher Luftfeuchtigkeit, wo die Verluste an Ethanol schneller als die an Wasser sind, was zu einem Abfall des Ethanolgehalts während der Reifung führt.

Diese Veränderungen im Ethanolgehalt im Fass beeinflussen die Geschwindigkeit und den Fortschritt der Reifung des Whiskys. Ein Rückgang des Ethanolgehalts kann die Löslichkeit von Holz- und Destillatkomponenten beeinträchtigen, wodurch die Menge an ethanollöslichen langkettigen Estern, Fetten und Lignin-Bausteinen abnimmt, während die Menge an wasserlöslichen Zuckern und Tanninen zunimmt. Tannine spielen eine wesentliche Rolle für die Struktur und Balance des Whiskys, beeinflussen dessen Farbe und tragen zu einem bitteren, holzigen und adstringierenden Geschmack bei.

Möchte man eine Aussage über die unterschiedlichen Reifungsgeschwindigkeiten von Whisky in Schottland und Andalusien treffen, so bietet es sich an, zunächst einen Blick auf die Klimadaten zu werfen (https://de.climate-data.org/). In der „Whiskyhauptstadt“ Schottlands, Dufftown, liegt die jährliche Temperaturspanne zwischen -0,9°C und 16,1°C. Für die südspanische Stadt Jerez de la Frontera in Andalusien reichen die entsprechenden Jahreswerte von 6,4°C bis 33,5°C. Diese Daten sind gemittelte Werte und wurden jeweils über einen Zeitraum von 30 Jahren erhoben.

In dem kühleren und gleichmäßigeren Dufftown, wo monatlich etwa 10 bis 13 Regentage zu verzeichnen sind, liegt die Luftfeuchtigkeit mit Werten zwischen 75% und 86% auch deutlich höher als in dem trockeneren und heißeren Andalusien, wo nur 0 bis 6 Regentage pro Monat auftreten und die Luftfeuchtigkeit zwischen 47% und 77% schwankt.

Tatsache ist, dass das Klima einen deutlichen Einfluss auf den Whisky hat. Nach allem, was bisher erwähnt wurde, ist klar, dass 10 Jahre Reifung in Südspanien nicht dasselbe sind wie 10 Jahre in Schottland. Wenn man die oben gezeigten Unterschiede in Temperatur und Luftfeuchtigkeit zwischen den beiden Ländern betrachtet, kann man davon ausgehen, dass ein Whisky in Andalusien etwa anderthalb- bis doppelt so schnell reift wie ein Whisky in Schottland.

Dies impliziert jedoch nicht zwangsläufig, dass ein 10 Jahre alter Whisky, der in Spanien gereift ist, genau den gleichen Geschmack aufweist wie ein 15 Jahre alter Whisky aus Schottland, allein aufgrund der Tatsache, dass er anderthalbmal so schnell reift. Auch nicht, wenn man ein und dasselbe Fass dafür verwenden würde. Denn durch die temperaturbedingten, unterschiedlichen Reaktionsgeschwindigkeiten werden Aroma- und Geschmacksstoffe in unterschiedlichen Raten sowie Mengen erzeugt. Diese Unterschiede prägen die gesamte Sensorik des Whiskys. Darüber hinaus ist bekannt, dass Aromamoleküle mit ähnlichen Strukturen synergistische oder additiv wirkende Effekte erzeugen können. Dies bedeutet, dass beispielsweise zwei ähnliche Aromamoleküle in Kombination einen intensiveren Duft erzeugen können als die Summe der Einzelstoffe. Andererseits können manche Moleküle das Aroma flüchtiger Verbindungen unterdrücken und sie somit trotz ihrer Anwesenheit weniger wahrnehmbar machen. Alle diese Effekte hängen von den individuellen Mengen der jeweiligen Moleküle ab. Zudem entwickeln sich die Ethanolgehalte im Spirit während der Fassreifung je nach den klimatischen Bedingungen unterschiedlich, wie bereits erwähnt. Diese Variabilität beeinflusst wiederum die Extraktion von Substanzen aus dem Holz der Fassdauben.

Daher führen schnellere Reaktionsgeschwindigkeiten im Fass nicht zwangsläufig zu einem früheren Erreichen des gleichen Ergebnisses. Ein in Spanien gereifter Whisky wird bereits nach 10 Jahren im Fass sehr intensiv, gehaltvoll und voluminös riechen und schmecken. Doch er wird sich – zum Teil deutlich – von einem Whisky unterschieden, der in einem gemäßigteren Klima 15 Jahre in einem ähnlichen Fass verbringen durfte.

Selbstverständlich müssen im Gesamtbild auch noch andere Faktoren der Fasslagerung berücksichtigt werden, wie die Beschaffenheit des Lagerhauses, das Mikroklima in der unmittelbaren Umgebung des Fasses, die Füllstärke oder die Position des Fasses im Lager. Bisher liegen jedoch keine eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu allen diesen Aspekten vor, da entsprechende Studien fehlen. Dennoch stellt dies einen interessanten Ansatz für zukünftige Forschungsprojekte dar.

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